Samstag, 21. Februar 2015

Australier und ihre Privatsphaere

Jeder Tourist, der durch Australien reist, wird von den wahnsinnig freundlichen Australiern berichten, die man jederzeit auf der Stasse anhauen kann, die einem weiterhelfen, wenn man irgendwie Hilfe braucht, die immer zu einem Schwaetzchen aufgelegt sind, die sich dauernd entschuldigen, wenn irgendwas ist, die superentspannt sind, wenn kleine und grosse Katastrophen passieren. "No worries!" "Sorry!" "You'll be right!" "How ya going?" ueberall.

Schluss mit lustig ist aber ab Feierabendzeit gegen 17 Uhr. Das Wetter kann noch so toll sein, man zieht sich dann in sein Haus zurueck und geht nicht mehr raus. Wir koennen immer noch nicht verstehen, warum jedes, aber auch wirklich JEDES Fenster blickdicht zugemacht wird, egal ob sonnig oder dunkel, ob Winter oder Sommer. Die Rollos/Gardinen/blinds bleiben zu. Das ist da drin alles privat, dunkel, kuehl. Bleibt man zuhause, so lebt man auch tagsueber im Halbdunkel. Nun muesst Ihr verstehen, dass es hier nicht immer sonnig und heiss ist in Australien. Die Winter und auch einige Tage durchs Jahr koennen schon bedeckt und empfindlich kuehl sein, so dass wir dann super gern die Sonne durch unsere Fenster scheinen lassen, wenn sie sich zeigt, damit sich das Haus etwas aufwaermen kann. Es gibt ja kaum Isolierung, zumindest nicht in den ganz normalen australischen Haeusern in NSW. Keine Doppelglasfenster, duenne Waende, Dach nicht isoliert - es ist also zu heiss oder zu kalt...

Heilige Zeit ist also die Zuhausezeit. Selten ist auch ein Klingelschild/Name an der Tuer. Wenn man Glueck hat findet man winzig klein vielleicht einen Klingelknopf. Irgendwie stoert man an der Haustuer, die ist naemlich auch schon privat.

Ich bin ja in der Seniorenbetreuung taetig, besuche alte Menschen in ihren Haeusern. Da sehe ich dann, wie sie leben. Es ist oft dunkel, alles bleibt zugezogen. Es sind nicht die luftigen blickdichten Vorhaenge/Stores, wie es sie oft in Deutschland gibt, nein, es sind dicke Gardinen und oft sind die Fenster zusaetzlich mit Rollos oder mit so Lamellenvorhaengen verdeckt. (Wir haben auch solche Lamellen in der Kueche, aber die machen wir nur zu, wenn die Sonne gar zu heiss reinscheint, dann spaeter gleich wieder auf. Dann sind sie ja auch praktisch.)

Um die Gaerten herum sind dichte Metallzaeune, echt haesslich. Vielleicht halten sie ja Ungeziefer ab, das waere eine sinnvolle Erklaerung. Wir haben zum Glueck einen Holzzaun, der aber wiederum Arbeit macht, weil hier alles so schnell kaputt geht (Wetter).

Vielleicht braucht der Durchschnittsaustralier sein Zuhause einfach, um normal agieren zu koennen und seine Batterien fuer den naechsten freundlichen Tag aufzuladen. Man kommt naemlich GAR nicht gut rueber, wenn man irgendwie aggressives, dominantes Verhalten an den Tag legt im Alltag. Also lieber durchschnaufen zuhause und auftanken. Es ist ja nicht so, dass es hier keine haeusliche Gewalt gibt oder Aggressionen, leider weit gefehlt. In der Oeffentlichkeit koennte man jedoch den Eindruck gewinnen, dass die Australier die ausgeglichensten Menschen auf der Welt sind. Da muss man vielleicht das Besuch-nach-5-Tabu und die zugezogenen Vorhaenge als geringeres Uebel ansehen...



2 Kommentare:

  1. Sehr gut geschrieben. Trifft eingeschränkt auch auf NZ zu, die Leute sind aber nicht ganz so gespalten hier glaube ich. Klingt als wenn die ganze Freundlichkeit als Arbeit und Kompromiss erlebt wird, von der/dem man sich erholen muss.

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  2. Sehr gut geschrieben. Trifft eingeschränkt auch auf NZ zu, die Leute sind aber nicht ganz so gespalten hier glaube ich. Klingt als wenn die ganze Freundlichkeit als Arbeit und Kompromiss erlebt wird, von der/dem man sich erholen muss.

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